Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. mahnt zur Wahrung des kirchlichen Schutzraums.
Anlässlich der vermehrten Räumungen, Räumungsversuche oder Räumungsandrohungen seit letztem Sommer in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen warnt die BAG. „Maßnahmen, die auf eine Abschiebung aus einem Kirchenasyl abzielen, widersprechen dem Geist der Vereinbarung zwischen BAMF und Kirchen“, stellt Dieter Müller SJ, stellvertretender Vorsitzender im Vorstand der BAG, klar. Die Vereinbarung wurde 2015 getroffen, die aktuelle Fassung datiert vom November 2022. Sie regelt den Ablauf des sogenannten Dossierverfahrens. Allein eine anstehende Überstellung in einen anderen Dublin-Staat könne keine Gewährung von Kirchenasyl begründen, heißt es dort, vielmehr müsse eine darüberhinausgehende unzumutbare Härte im Einzelfall dargelegt werden.
„Leider werden so gut wie alle vorgelegten Dossiers vom BAMF abgelehnt“, beklagt Müller. Die Einschätzungen über unzumutbaren Härten im Einzelfall lägen regelmäßig weit auseinander, so die Erfahrung der BAG, die mit vielen Gemeinden und Ordensgemeinschaften, die Kirchenasyl gewähren, in Kontakt steht. Flüchtlinge erlebten in anderen EU-Mitgliedsstaaten Schläge, Inhaftierung unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, oder völlige Vernachlässigung bis hin zur Verelendung. Auch laufende Therapien und ärztliche Empfehlungen werden vom BAMF ignoriert, wie das jüngste Beispiel der Familie aus Russland, die nach Spanien rücküberstellt wurde, obwohl sich die Mutter hier in ärztlicher Behandlung befand, gezeigt hat.
Solche Beispiele sind zahlreich: Etwa das des 19-Jährigen aus Syrien, der nach Bulgarien abgeschoben werden sollte. „Dort wurde ich von der Polizei geschlagen und mehrmals in die Türkei zurückgebracht. Sie haben auch Polizeihunde auf uns gehetzt“, erzählt er. Mehrere Wochen verbrachte er in einem gefängnisähnlichen Lager.
Oder das des syrischen Flüchtlings, der im Februar aus dem Kirchenasyl in Büchenbeuren, Rheinland-Pfalz, nach Dänemark rücküberstellt wurde. Dänemark erschwert bzw. widerruft Schutzsuchenden, selbst aus Syrien, den Flüchtlingsstatus. Bei Ablehnung müssen Betroffene fürchten, über längere Zeit in geschlossenen Lagern festgehalten zu werden.
Oder die Familie, der die kroatische Polizei drohte, bloß nicht in Kroatien zu bleiben. Für ihr Kind, das eine Behinderung hat, würde sie dort keinerlei Unterstützung erhalten, sagte man ihnen.
Oder der Mann aus Afghanistan, der nach Rumänien abgeschoben werden sollte und damit von seiner nach islamischem Recht verheirateten und schwangeren Ehefrau in Deutschland getrennt worden wäre.
Als „grausame Asyl-Lotterie“ hat die frühere EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström das Dublin-Verfahren einmal bezeichnet. „Wir versuchen, dieser Asyl-Lotterie mit Hilfe des Kirchenasyl ein wenig entgegenzuwirken“, betont Müller, „und das als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition“, wie es in der Vereinbarung heißt.
Kontakt:
Dieter Müller SJ.
Stellv. Vorsitzender der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche e.V.