Sommeruniversität dokumentiert Lage der Flüchtlinge auf Malta
Die Internationale Sommeruniversität »Flüchtlingsschutz an den EU-Außengrenzen: Dialog zwischen Menschenrechten und Bibel« auf Malta von 14. – 25. September zieht Bilanz:
Ziel des Projekts war es, junge Erwachsene aus der Bundesrepublik Deutschland mit der besonderen Situation der Republik Malta als EU-Grenzstaat vertraut zu machen und Handlungsoptionen für die Arbeit mit Flüchtlingen auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes zu entwickeln. 14 junge Mitglieder von deutschen NGOs arbeiteten mit Flüchtlingen aus Äthiopien, Eritrea, Somalia, Togo, Mali, Sudan etc. sowie mit maltesischen StudentInnen in den »Open Centres« auf Malta an ausgewählten Themen: Dublin II-Regelung, Frauen und Kinder in Lagern, Sprachunterricht für Multiplikatoren, Situation von unbegleiteten Minderjährigen, Menschenrechtsberatung etc.
Unterstützt wurde die Sommer Universität von der EU (»youth in action«), der römisch-katholischen Kirche, der EKD und verschiedenen Evangelischen Landeskirchen.
Auffällig zahlreich waren die Begegnungen mit Flüchtlingen, die gemäß dem Dublin II-Verfahren zurück nach Malta abgeschoben worden waren. Statt EU-intern den kleinen Inselstaat zu entlasten, führt diese Regelung zu einer unhaltbaren Situation. Auch die freiwillige Aufnahme von 150 ausgewählten Flüchtlingen durch die Bundesrepublik Deutschland in 2011 führt zu keiner Enlastung, denn ihr stehen zahlreichen Rückschiebungen aus den nördlichen EU-Ländern gegenüber (Zahlen für 2010: 300 Aufnahmen gegenüber 566 Rückschiebungen).
In Treffen mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS Malta), dem Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), der Agency for the Welfare of Asylum Seekers (AWAS), dem Marsa Open Centre, sowie weiteren NGOs konnten wichtige Kontakte geknüpft und Fragen gemeinsam erörtert werden.
»Wir haben nicht von Malta geträumt, sondern von einem sicheren Leben in Frieden in Europa«
Viele junge Flüchtlinge wiederholten diese Worte in den zahlreichen Gesprächen. Doch diese Träume zerschellen angesichts ihrer ausweglosen Lage auf Malta.
Fanny Dethloff, Bundesvorsitzende der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche und Initiatorin des Projekts, zieht daher folgendes Resümee:
»Als stark bevölkerte Insel steht Malta vor der Herausforderung, einer der Eingänge für Flüchtlinge nach Europa zu sein. Leider sind vor allem die nördlichen und reichen Länder der EU nicht bereit, ihre Verantwortung für Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten zu übernehmen: Während die fliehenden Menschen auf See ihr Leben riskieren, verweigert Europa eine gemeinsame großzügige Flüchtlingsaufnahme. Statt humanitäre Aufnahme zu erfahren, landen sie auf der italienischen Insel Lampedusa oder auf Malta in einer ausweglosen Situation, mehrere Monate in einem geschlossenen Lager eingesperrt. Die erbärmlichen Lebensbedingungen in den überfüllten Lagern wie den
Hal Far Open Centres auf Malta erfüllen keineswegs die humanitären Standards der EU. Dies an der Seite von Flüchtlingen zu bezeugen, indem wir den Menschenrechtsdiskurs in der Bibel in Praxis umsetzen, dazu sind wir nach Malta gefahren.«
»Ich verstehe, dass die Regierung ihr Land schützt, weil die Ressourcen begrenzt sind. Aber haben wir nicht auch das Recht, unser Leben zu schützen?« fragt Mohamed, ein junger Mann aus Somalia, der in Libyen Medizin studierte und jetzt ein zweites Mal vor einem Bürgerkrieg fliehen musste.
Wie kann der nächste humanitäre Kurzschluss verhindert werden? »Out of system«
»We are out of system«, sagt ein Flüchtling, der zurückgeschoben wurde. »Out of system« ein aufkommender neuer Begriff in Malta, meint: Nicht versorgt zu sein, ohne Obdach und Nahrung zu stranden.
Dies ist eine Folge der sogenannten »Dublin II-Regelung«, erklärt Fanny Dethloff: »In den Flüchtlingslagern trafen wir zahlreiche Flüchtlinge, die aus anderen europäischen Ländern wie Schweden, Norwegen, Deutschland und den Niederlanden zurück nach Malta zurückgeschoben wurden. Dies erlaubt das Dublin-II-Abkommen, dass den nördlichen Ländern das Recht gibt, in das Land zurückzuschieben, in dem die EU zuerst betreten wurde – also Griechenland, Italien und Malta. Seit etwa einem Jahr sind Dublin-Abschiebungen nach Griechenland gestoppt. Aber was ist mit Malta? Man kann es in den Lagern sehen und hören, und auch Offizielle sagten es uns: Es gibt keinen Platz auf Malta für die so genannten »Dubliner« – viele von ihnen sind »out of system«: Sie haben kein Geld, kein Bett, kein Essen. Was der Zusammenbruch des Lagersystems hervorrufen kann – die Gewaltausbrüche der letzten Tage auf Lampedusa haben es gezeigt.«
Nur ein Europa mit Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge und Migranten kann die massiven und zunehmenden humanitären Probleme beenden, vor denen Malta und andere südeuropäische Länder stehen. Europa muss das ungerechte Dublin-II-Abkommen sofort und umfassend stoppen – dies ist eines der Ergebnisse aus den Untersuchungen und Erfahrungen der Sommeruniversität in Malta.
Kontakt:
Fanny Dethloff
Ökumenische BAG Asyl in der Kirche
Email:
Mobil: 01511 – 411 87 15
www.kirchenasyl.de
Marc Speer
Bayerischer Flüchtlingsrat
Email:
Fon: 089 – 76 22 34
Bernd Hans Göhrig
Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten (IKvu)
Email:
Mobil: 0179 – 52 44 075
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Das Projekt wird mit Unterstützung der Europäischen Union durch das Programm JUGEND-IN-AKTION im Rahmen der Aktion 1.3 – Projekte der partizipativen Demokratie finanziert. Der Inhalt dieses Projektes gibt nicht notwendigerweise den Standpunkt der Europäischen Union oder der Nationalagentur JUGEND für Europa wieder und sie übernehmen dafür keine Haftung.