Tätigkeitsbericht 2022

1. Kirchenasyle im Jahr 2022

Für das Jahr 2022 wurden insgesamt 1119 Kirchenasylevon der BAG dokumentiert. 875 der Kirchenasyle wurden 2022 neu begonnen. 

In 859 Fällen haben evangelische Gemeinden oder Kirchenkreise und in 243 Fällen katholische Gemeinden und Klöster Kirchenasyl gewährt. Auch haben 15 Freikirchliche Gemeinden Menschen Zuflucht gewährt. Mindestens 1783 Personen, darunter mindestens 385 Kinder und Jugendliche, fanden 2022 Schutz im Kirchenasyl.

Von den dokumentierten Kirchenasylen waren 1098 sog. Dublin-Fällemit 1762 Personen, darunter 380 Kinder und Jugendliche.

Von788 beendeten Kirchenasylenist ein positiver Ausgang (d.h. mindestens mit einer Duldung) in mindestens 778 Fällen zu verzeichnen. 


Tabelle 1/2022: Verteilung nach Bundesländern
Die größte Anzahl an Kirchenasylen im Jahr 2022 ist in Nordrhein-Westfalen (295 KA), Bayern (240 KA) und Hessen (228 KA) verzeichnet.

BundeslandAnzahl der FällePersonen
Baden Württemberg617
Bayern240379
Berlin70142
Brandenburg4194
Bremen2736
Hamburg4663
Hessen228280
Mecklenburg-Vorpommern1536
Niedersachsen3143
Nordrhein-Westfalen295421
Rheinland-Pfalz29
Saarland00
Sachsen22
Sachsen-Anhalt3958
Schleswig-Holstein46129
Thüringen3174
Gesamt11191783

Tabelle 2/2022: Herkunftsländer
Bezüglich der Herkunftsländer bildeten im Jahr 2022 Menschen aus Afghanistan (577 Pers.), Syrien (407 Pers.), Irak (286 Pers.) und Irak (121 Pers.) die größten Gruppen.

HerkunftslandAnzahl der FällePersonen
Afghanistan292577
Syrien339407
Irak167286
Iran88121
Somalia2732
Guinea1821
Äthiopien1518
Eritrea1316
Nigeria1114
Türkei1116
Russland920
Tschetschenien 827
Ägypten711
Armenien79
Pakistan69
Sierra Leone66
Tansania610
Belarus414
Libanon45
Palästina44
Inguschetien33
Jordanien39
Kamerun33
Tadschikistan34
Angola23
Aserbaidschan22
Jemen22
Kongo26
Mali22
Sudan26
Albanien15
Algerien13
China14
Dschibuti 11
Elfenbeinküste11
Gambia11
Kenia11
Kirgistan11
Libyen11
Marokko13
Mazedonien13
Saudi-Arabien11
Serbien11
Tschad11
Turkmenistan11
Uganda13
Ukranine12
Venezuela11
Keine näheren Angaben3586
Gesamt11191783

Tabelle 3/2022: Drohende Abschiebungen in folgende europäische Staaten
Den meisten Menschen im Kirchenasyl drohte eine Abschiebung in folgendes Länder: Italien (260 Pers.), gefolgt von Polen (210 Pers.) und Kroatien (207 Pers.).

Dublin StaatAnzahl der FällePersonen
Italien187260
Bulgarien156179
Rumänien123142
Polen111210
Kroatien78207
Schweden67170
Spanien6184
Österreich4956
Litauen3871
Slowenien3773
Frankreich2945
Dänemark2242
Lettland1625
Malta1616
Belgien1320
Niederlande1016
Portugal89
Schweiz78
Estland68
 Tschechien56
Ungarn59
Griechenland413
Norwegen44
Slowakei37
Finnland24
Luxemburg12
Keine Angaben4076
Gesamt10981762


Tabelle 4/2022: Aufenthaltsrechtliche Perspektiven am Ende des Kirchenasyls
Mit einem positiven Ausgang wurden im Jahr 2022 mindestens 778 Kirchenasyle (1253 Pers.) beendet.

Ende des KirchenasylesAnzahl der FällePersonen
Ablauf der Überstellungsfrist und Übernahme ins nationale Verfahren7671225
Selbsteintritt durch BAMF nach positivem Dossier616
Duldung wegen Mutterschutz36
Vaterschaftsanerkennung11
Zuerkennung subsidiärer Schutz15
Erfolreich beendete Kirchenasyle7781253
Kirchenasyl freiwillig verlassen, ohne nähere Angaben34
Kirchenasyl verlassen wegen drohender Räumung11
Freiwillige Rückkehr in einen anderen europäischen Staat13
Nicht erfolreich beendete Kirchenasyle58
Keine näheren Angaben44
GESAMT7881264

2. Aktuelle Entwicklungen im Kirchenasyl

Als Ökum. BAG Asyl in der Kirche erhalten wir viele Kirchenasyl-Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet. Wir können für die 20-30 Anfragen pro Woche lediglich eine Verweis-Beratung durchführen und erläutern, wie Kirchenasyl aktuell funktioniert. Vielen kann nicht abgeholfen werden, auch wenn bereits für uns eindeutig ist, dass sie eigentlich in einem Kirchenasyl ge-schützt werden sollten. Wir bekommen inzwischen mehr Anfragen direkt von Flüchtlingen und nicht wie in der Vergangenheit vornehmlich von Unterstützungskreisen einzelner Geflüchteter. Dies liegt einerseits an der zunehmenden Bekanntheit des Kirchenasyls und den online verfügbaren Informationen, die in informellen Netzwerken geteilt werden. Andererseits ist dies auch eine Auswirkung der sog. „Ankerzentren“. Immer weniger Flüchtlinge haben Kontakte in die deutsche Gesellschaft hinein, bevor sie ihren Ablehnungsbescheid im Dublin-III-Verfahren erhalten. Kurzfristig änderte sich diese Situation im Frühjahr 2022. Als zu Beginn des Ukraine-Krieges viele Flüchtlinge aus anderen Ländern in die Landkreise verteilt wurden, um Platz für die neu Ankommenden zu schaffen, stieg auch die Zahl der Kirchenasyle an. Das Engagement vieler Kirchengemeinden für die Menschen, die aus der Ukraine flohen, schloss Kirchenasyl für Flüchtlinge aus anderen Ländern vielerorts nicht aus. Die schnellere Verteilung in die Fläche führte zu mehr Kontakt und somit auch zu vielen neuen Kirchenasylen, gerade in Regionen, in denen keine guten Kontakte in die Erstaufnahmeeinrichtungen hinein bestehen.

Lernprozesse im Kirchenasyl
Als BAG-Vorstand und Geschäftsstelle, aber auch als Kirchenasyl-Bewegung befinden wir uns in kontinuierlichen Lernprozessen. Die ein 1,5 Jahren regelmäßig stattfinden Online-Aus-tauschtreffen für Menschen im Kirchenasyl und gesellschaftliche Debatten um sichere Orte, Missbrauch in kirchlichen Strukturen und Selbstbestimmung Geflüchteter werfen Fragen für unsere Strukturen auf: Wie werden die Menschen im Kirchenasyl wahrgenommen? Reden auch Geflüchtete mit über Kirchenasyl- oder sind sie nur im Kirchenasyl? Wie sind die Strukturen der Kirchenasyl-Bewegung aufgestellt? Wie können wir Selbstbestimmung der Kirchenasyl-Gäste gewähren, wenn diese in kirchlichen Räumen untergebracht sind, die auch anderweitig genutzt werden? Die Ungleichheiten und Risiken in diesen Strukturen müssen deutli-cher und kritisch in den Fokus genommen werden. Auf unserer Jahrestagung im November 2022 fand ein Workshop zu Schutz- und Präventionskonzepten im Kirchenasyl statt. Das Thema werden wir im Jahr 2023 fokussieren.

Kirchenasyl als Seismograph oder Lupe europäischer Asylpolitik
In dem Vergrößerungsglas Kirchenasyl sehen wir die aktuellen Themen der Politik. Das ist nicht neu. Seit etwa 2017 führten die hohen Ablehnungsquoten und Abschiebungsandrohungen nach Afghanistan aus Skandinavien in Norddeutschland zu weit über 50% „skandinavischer“ Kirchenasyle. Das Salvini-Dekret in Italien hatte Auswirkungen auf die Kirchenasylpra-xis, genau wie die Pushbacks an den Grenzen zu Kroatien. Im Jahr 2022 verzeichneten wir einen massiven Anstieg von Kirchenasylen für meist kurdisch-irakische Familien, die 2021 über Belarus nach Europa gekommen waren. Der starke Anstieg der Nachfrage nach „Polen“-Kirchenasylen beschäftigt uns, seitdem seit August nach kurzer Unterbrechung wieder dorthin überstellt wird.

All dies liest man auch in den Nachrichten. Aber es wird anders wahrgenommen, wenn Men-schen vor einem stehen, die es erzählen. Dies ist genau die Grundlage dessen, was Kirchenasyl ist: Die Menschen im Einzelfall schützen, weil es geboten ist. Das kleine einzelne Kirchenasyl verschwindet in den großen Themen der Zeit. Und die großen Forderungen stehen in der Gefahr, ihr menschliches persönliches individuelles Gesicht zu verlieren. Als Kirchenasyl-Bewegung halten wir dies beides zusammenhalten. Angesichts des Sterbens an den EU-Außengren-zen und so vielen Menschen auf der Flucht wie nie, fällt es schwer, vom „Erfolg“ unserer Arbeit zu sprechen. Der Erfolg allerdings, viele tausend Menschen vor einer Abschiebung bewahrt zu haben, der bleibt. Und wenn es mal wieder ganz frustrierend wird, dann mag dieser Gedanke helfen und jedes einzelne Kirchenasyl, wenn auch klein, als sehr wertvoll erscheinen lassen.

3. Strafverfahren aufgrund von Kirchenasyl

Auch im Jahr 2022 beschäftigten uns die Strafverfahren gegen Pfarrer*innen und Ordensleute in Bayern. Mit einem Freispruch des Landgerichts (LG) Würzburg vom 14.7.2022 endete das Berufungsverfahren von Sr Seelmann. Im Juni 2021 hatte sie vom Amtsgericht Würzburg eine Verwarnung mit Strafvorbehalt – 600 EUR Geldstrafe ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung – erhalten. Dagegen hatten sie, sowie auch die Staatsanwaltschaft, der das Strafmaß zu gering war, Berufung eingelegt. Das LG Würzburg orientierte sich nun an der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) München, das im Fall Bruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach bereits mit Urteil vom 25.2.2022 entschieden hatte, dass unter be-stimmten Voraussetzungen keine Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt vorliege. Während der Prüfung des gemäß Vereinbarung eingereichten Härtefalldossiers habe der betroffene Flücht-ling einen Duldungsanspruch, und somit scheide eine Strafbarkeit des kirchlichen Entscheidungsträgers in dieser Prüfungsphase aus, so das BayObLG bezugnehmend auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 3.5.2018.

Spannend ist jedoch die Beurteilung der zweiten Phase, nämlich wenn das Kirchenasyl nach Ablehnung des Dossiers fortgeführt wird. Dann bittet das BAMF regelmäßig um Mitteilung, ob der oder die Geflüchtete das Kirchenasyl innerhalb von drei Tagen verlassen habe. In den allermeisten Fällen geschieht dies nicht und wird entsprechend an das BAMF gemeldet. Ab dem vierten Tag entfällt also der Duldungsanspruch des im Kirchenasyl befindlichen Flüchtlings, d. h. er oder sie hält sich unerlaubt auf. Vor diesem Hintergrund stellte sich in den Verhandlungen von Br Abraham und Sr Seelmann die Frage, ob sie sich mit der weiteren Gewährung von Kirchenasyl strafbar gemacht hatten. Konkret: Hatten sie nach Dossierablehnung dem oder der Geflüchteten zugeredet zu bleiben? Oder beschränkten sie sich darauf, über die neueingetretene Situation (neutral) zu informieren und die Entscheidung ganz und gar dem Flücht-ling überlassen? Wenn letzteres zutreffe, handele es sich nicht um eine strafbare Hilfeleistung zum unerlaubten Aufenthalt, so das LG Würzburg mit Verweis auf die Entscheidung des BayObLG. Sr Seelmann und Br Abraham konnten glaubhaft machen, dass sie keinen Einfluss auf den weiteren Verbleib der im Kirchenasyl befindlichen Flüchtlinge genommen hatten. In Sr Seelmanns Verhandlung wurde nicht nur sie selbst befragt, sondern als Zeugin auch die seinerzeit betroffene Nigerianerin. Als Ergebnis heißt es in der Urteilsbegründung des LG Würzburg: „Die Kammer (…) hat sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbe-sondere der Einlassung der Angeklagten und den Angaben der vernommenen Zeugin [NN], nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagte nach der negativen Härtefallentschei-dung über die bloße Gewährung von Unterkunft und Verpflegung hinaus den Verbleib der anderweitig Verfolgten [NN] im Kirchenasyl aktiv verstärkt hätte oder eine Absprache über einen Verbleib im Kirchenasyl auch im Falle einer negativen Härtefallentscheidung getroffen worden wäre.“

Fazit: Zur Vermeidung strafrechtlicher Folgen bei der Gewährung von Kirchenasyl geht es nicht darum, sich auf eine etwaige Gewissensentscheidung zu berufen. Sondern es kommt schlicht darauf an, das Härtefalldossier korrekt einzureichen (spätestens einen Monat nach Beginn des Kirchenasyls und mindestens zwei Wochen und einen Tag vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist) und schließlich die negative Dossierentscheidung dem oder der Schutzsuchenden neutral zu vermitteln. Dass mit einem Verbleib im Kirchenasyl ihm oder ihr dann strafrechtliche Konsequenzen drohen können, hatte bereits das OLG München 2018 entschieden.

Strafbarkeit bei Kirchenasyl ohne Dublin-Bezug
Kirchenasyl bei drohender Abschiebung ins Herkunftsland wird juristisch anders gehandhabt als Kirchenasyl, bei dem eine Rücküberstellung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat verhindert wird. Das erklärt, warum der ehemalige Gundelfinger Pfarrer Frank Bienk Mitte Juli 2022 nicht freigesprochen wurde. Er hatte einem Mann Kirchenasyl gewährt, der nach Afghanistan abge-schoben werden sollte. Dies konnte verhindert werden und der Mann lebt inzwischen legal in Deutschland. Pfarrer Bienk weigerte sich, den Strafbefehl zu akzeptieren und das Verfahren wurde gegen eine Zahlung von 1.000 an ProAsyl eingestellt.

4. Öffentlichkeitsarbeit

4.1 Veranstaltungen

Monatliche Online-Austauschtreffen von und für Menschen im Kirchenasyl
Im Jahr 2022 fanden jeweils am letzten Sonntag im Monat um 18:00 Online-Austauschtreffen von und für Menschen im Kirchenasyl statt. Die Gruppe schreibt über sich selbst: „Egal, was Ihre Erfahrungen sind, sicherlich können sie anderen helfen. Und die Erfahrungen anderer können Ihnen helfen, insbesondere in einem Land, in dem Sie noch nicht allzu lange leben. In unseren Treffen tauschen wir uns über unsere Erfahrungen vor, während und nach dem Kirchenasyl aus. Wenn Sie momentan im Kirchenasyl (oder schon im Kirchenasyl gewesen) sind und Interesse haben, uns Ihre Erfahrungen mitzuteilen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren, freuen wir uns sehr über Ihre Anwesenheit. Wir sind eine Gruppe von Menschen, die das Kirchenasyl bereits abgeschlossen haben oder noch im Kirchenasyl sind. Einige von uns studieren nun, andere arbeiten oder sind noch im Asylverfahren. Auch mit dabei ist eine Mitarbeiterin von „Asyl in der Kirche“, die Fragen beantwortet.“

25.–29.5.2022 Katholikentag in Nürnberg
Neben dem Stand auf der Kirchenmeile nahm unser stellvertretender Vorsitzender Dieter Müller an einer Podiumsveranstaltung zum Kirchenasyl statt. Gemeinsam mit Äbtissin Mechthild Thürmer OSB aus Kirchschletten wurden dort die Strafverfolgung in Bayern und die aktuellen Perspektiven des Kirchenasyls diskutiert.

28.-31.07.2022 Konferenz ehemaliger Kirchenasyl-Gäste in Berlin
Im Juli 2022 trafen sich 21 ehemalige Kirchenasyl-Gäste aus 7 Bundesländern, die zuvor regelmäßig an den Online-Austauschtreffen teilgenommen hatten. Inhalte des Treffens waren ein vertiefender Austausch über die Erfahrungen im Kirchenasyl, der in Präsenz tiefer als in den monatlichen Online-Austauschtreffen stattfinden kann und konzeptionelle Überlegungen werden, wie ehemalige Kirchenasyl-Gäste in die weitere Kirchenasyl-Praxis mit einbezogen werden können. Des Weiteren produzierten die Teilnehmenden Texte und ein Video, das zukünftig für die Unterstützung von Kirchenasyl eingesetzt werden kann. Das Treffen wurde von den Teilnehmenden als sehr bereichernd erlebt und bedeutete für viele auch einen Urlaub vom Lager und der immer noch unsicheren Alltagsrealität im Asylverfahren.

04.-06.11.2022 BAG-Jahrestagung „Gemeinsam Grenzen überwinden“
Gemeinsam mit dem Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche NRW und der Ev. Melanchthon-Akademie Köln hatten wir zu der dreitägigen Veranstaltung eingeladen, um aktuelle Herausforderungen im Kirchenasyl angesichts des europäischen Grenzregimes zu diskutieren. Nach einem Rückblick auf die Geschichte der Kämpfe um Bleiberecht in Köln anhand eines Films zum Wanderkirchenasyl der 1990er Jahre, diskutierten wir mit Expertinnen aus Theorie und Praxis der kritischen Grenzregimeforschung darüber, wie wir das Kirchenasyl angesichts des europäischen Grenzregimes verstehen. Eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung findet sich zum Download auf unserer Homepage.

25.-27.11.2022 Asylpolitisches Forum
Im November 2022 fand das jährliche asylpolitische Forum, das wir gemeinsam mit dem Institut für Kirche und Gesellschaft der EKvW und zahlreichen Trägern in NRW organisieren, online statt. Dieses Mal widmete sich ein Nachmittagsworkshop aktuellen Fragen bezüglich des Kirchenasyls.


4.2 Pressearbeit

Folgende Pressemitteilungen veröffentlichte die BAG im Jahr 2022:

PM 25.02.2022 Erneuter Freispruch für Bruder Abraham
Heute bestätigte das Bayrische Oberlandesgericht in Bamberg den Freispruch Bruder Abrahams. Ihm war Beihilfe zum illegalen Aufenthalt durch die Gewährung von Kirchenasyl vorgeworfen worden. Nachdem das Amtsgericht Kitzingen Bruder Abraham im letzten Jahr bereits freigesprochen hatte, legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das Oberlandesgericht hat nun noch einmal festgestellt, dass das Gewähren von Kirchenasyl keine Straftat darstellt.

Wir freuen uns mit Bruder Abraham und allen, die sich für die Rechte Geflüchteter einsetzen, über diesen Freispruch! Gespannt sind wir auf die ausführliche schriftliche Begründung. Wir hoffen, dass von dem Urteil eine gute Signalwirkung auch für die weiteren noch anstehenden Verhandlungen gegen Ordensleute und Pfarrpersonen ausgeht, die wegen Kirchenasyl vor Gericht stehen. BAG-Vorstandsvorsitzende Pastorin Dietlind Jochims: „Im letzten Jahr dominierten diese Gerichtsverfahren die öffentliche Diskussion über Kirchenasyl. Wir hoffen, dass diese nun zu einem Abschluss kommt und der Blick sich wieder auf das Wesentliche richtet: Die Menschen, denen Abschiebung droht und die um ihr Leben fürchten. Mit jedem einzelnen Kirchenasyl versuchen wir, humanitäre Härten zu vermeiden und schwere Menschenrechts-verletzungen zu verhindern.“

PM 06.11.2022 Tagung in Köln: Kirchenasyl angesichts des EU-Grenzregimes
Vom 4. bis 6. November 2022 fand in Köln die Jahrestagung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche statt. Unter dem Titel „Gemeinsam Grenzen überwinden“ kamen circa 50 Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland zusammen, um die Zusammenhänge zwischen der EU-Grenzpolitik und der Kirchenasyl-Arbeit in Deutschland zu diskutieren.

Magdalena Luczak von der Grupa Granica aus Polen, die an der Polnisch-Belarussischen Grenze humanitäre Nothilfe leistet, berichtete aus den Wäldern im Grenzgebiet. Seit Herbst 2021 hat die Gruppe Granica 27. Todesfälle und Hunderte illegale Pushbacks an der Grenze dokumentiert. Wahrscheinlich haben in dem unwegsamen Sumpfgebiet bereits viele weitere Menschen ihr Leben verloren. Flüchtlinge, die im Rahmen der Dublin-III-Verordnung von Deutschland nach Polen zurückgeschoben werden, sind dort in der Regel Inhaftierung in geschlossenen Lagern ausgesetzt und haben keine Chance auf ein Bleiberecht.

„Bei den zahlreichen Kirchenasylen, die wir wegen drohender Abschiebung nach Polen gewähren, geht es um den Schutz der Einzelnen.“, so Dietlind Jochims, Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche. „Aber anstatt anzuerkennen, dass das Dublin-System gescheitert ist, wird den Kirchengemeinden vorgeworfen, sich nicht an die Regeln zu halten, sobald sie systemische Mängel erwähnen. Dabei sehen wir beim Kirchenasyl im Kleinen, was in der europäischen Asylpolitik falsch läuft.“

In Workshops, Vorträgen und Podiumsdiskussionen widmeten sich die Teilnehmenden der Tagung den Entwicklungen im deutschen und europäischen Asylrecht, dem gesellschaftlichen Diskurs um Migration und Flüchtlinge, sowie Fragen rund um das Kirchenasyl.
Aktuell befinden sich über 500 Menschen im Kirchenasyl, davon mindestens 112 Kinder. In einem Videogrußwort bekräftigte die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland ihre uneingeschränkte Unterstützung für Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren. Dietlind Jochims: „Solche öffentlichen Signale sind wichtig für Gemeinden und Gemeinschaften. Sie stärken uns in unserem Engagement für Humanität und Menschenrechte, auch wenn es einmal Gegenwind gibt.“

Neben den Pressemitteilungen fanden zahlreiche Interviews in Zeitungen, Radio und Fernsehen mit den Vorstandsmitgliedern der BAG statt.

4.3 Publikationen


Im Frühjahr 2022 haben wir unseren monatlichen Newsletter umgestellt. In Form eines ausführlicheren Infobriefs erhalten unsere Mitglieder und Unterstützer*innen nun drei- bis vier-mal im Jahr Informationen über unsere Arbeit und aktuelle Entwicklungen im Kirchenasyl. Der Infobrief kann postalisch zugestellt werden oder online abgerufen werden, bzw. über E-Mail empfangen werden. Unsere Homepage und unsere Social Media Auftritte werden gut besucht. Viele Kirchengemeinden aus ganz Deutschland verfolgen unsere Veröffentlichungen mit großem Interesse. Vielfach verschickt die BAG Informationsmaterialien, insbesondere die aktualisierte Erstinformationen zu Kirchenasyl an Kirchengemeinden und weitere Interessierte. Regelmäßig müssen wir unsere Informationsmaterialen updaten und nachdrucken. Wir hoffen, dies auch weiterhin als kostenlosen Service anbieten zu können. Um den Druck und Versand finanzieren zu können, bitten wir bei Anfragen um eine Spende zur Kostendeckung.

5. Kooperationen

Als Mitglied im Forum Menschenrechte haben wir uns an dessen Plenumssitzungen teilgenommen. Unser Fokus liegt vor allem auf der AG Innen des Forum Menschenrechte. Der fachliche Austausch im Forum ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit geworden.

Die persönliche Vertretung unserer Mitgliedschaft im Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) übernahm im Jahr 2022 unser ehemaliges Vorstandsmitglied Bernd Göhrig.

6. Verein

Aktuell sind 27 Einzelpersonen und 23 Institutionen Mitglieder bei der BAG Asyl in der Kirche e.V. Darüber hinaus unterstützen 97 Fördermitglieder durch eine jährliche Zuwendung die Arbeit der BAG.

7. Personalien

Vorstand

Im Jahr 2022 gab es keine personellen Veränderungen in der Ökum. BAG Asyl in der Kirche. Der aktuelle Vorstand besteht weiterhin aus:

Dietlind JochimsFlüchtlings- und Menschenrechtsbeauftragte der Nordkirche und Vor-
sitzende der BAG
Dieter MüllerJesuiten Flüchtlingsdienst Bayern, Seelsorge, Rechtsberatung für
Abschiebungshäftlinge und Beratung von bayerischen Gemeinden und Gemeinschaften in Fragen rund um Kirchenasyl
Tobias Vorburg„Seite an Seite für die Rechte von Flüchtlinge e.V.“, Bayern
Lissy EichertPastoralreferentin im Erzbistum Berlin und Mitglied der Pallottinischen Gemeinschaft
Lukas PellioEvangelischer Pfarrer in Spremberg/Brandenburg und Vorstandsmitglied bei Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.


Geschäftsstelle

In der Geschäftsstelle arbeitet weiterhin Genia Schenke mit 25 Stunden pro Woche als Geschäftsführerin der BAG. Die wesentlichen Aufgaben bestehen in der Beratung von Kirchengemeinden, der Buchhaltung, der Pflege der Mitglieder, der Organisation von Veranstaltungen, dem Stellen von Anträgen und der Bereitstellung von Informationsmaterialien.

Ulrike La Gro unterstützt mit 16 Stunden pro Woche die Geschäftsführerin in allen Tätigkeitsbereichen, von Beratung bis Mitgliederbetreuung. Insbesondere kümmert sie sich um die Planung und Organisation von Tagungen und Öffentlichkeitsarbeit

8. Finanzen

Die Zuschüsse der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Verbands der Diöze-sen in Deutschland, von Landeskirchen, Bistümern, evangelischen Freikirchen, Diakonischen Werken und Pro Asyl ermöglichten zu einem wesentlichen Teil unsere Arbeit im Jahr 2022.

Eine weitere wichtige Stütze waren die Beiträge unserer Fördermitglieder und Vereinsmitglieder sowie Einzelspenden.

Die Einnahmen im Jahr 2022 betrugen 85.033,85 €, die Ausgaben 86.697,82 €.

9. Ausblick

2023 feiern wir 40 Jahre Kirchenasyl-Bewegung in Deutschland. Im Herbst 1983 fand in der Heilig-Kreuz-Kirchengemeinde in Berlin-Kreuzberg das erste Kirchenasyl statt. Anlässlich des Jubiläums veranstalten wir vom 30.-31.8. gemeinsam mit dem Verein „Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg“ e.V. und der Ev. Akademie zu Berlin eine mehrtägige Veranstaltung, die sich aktuellen Fragen der Kirchenasyl-Bewegung aus historischer, tagespolitischer und internationaler Perspektive widmet. Im Anschluss an das Jubiläum werden wir mit Partner*innen aus unserem Internationalen Sanctuary Network an die Polnisch-Belarussische Grenze fahren.


Berlin, den 29.05.2023

Für die Ökumenische BAG Asyl in der Kirche e.V.

Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende
Genia Schenke, Geschäftsführerin
Ulrike La Gro, Referentin der Geschäftsstelle