Stellungnahme: Neue Bedingungen in der Praxis des Kirchenasyls

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Seit über 30 Jahren wird in Deutschland Kirchenasyl praktiziert und dadurch Geflüchteten in kirchlichen Räumen Schutz gewährt. Es ist Ultima Ratio, wenn die Abschiebung in menschenrechtsverletzende Verhältnisse droht oder wenn Leib und Leben im Falle einer Abschiebung gefährdet sind.

Die Tradition des Kirchenasyls wird vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) grundsätzlich toleriert.

Allerdings gab das BAMF im Januar 2015 eine neue Bewertung des Kirchenasyls bekannt. Diese betrifft Geflüchtete, denen nach der so genannten „Dublin III“-Verordnung die Rückschiebung in ein anderes europäisches Land droht. Das BAMF äußert dazu folgende Einschätzungen:

  • In der Regel drohe in so genannten „Dublin“-Fällen keine Gefahr für Leib und Leben.
  • Menschen im Kirchenasyl gälten als „flüchtig“, wodurch sich im Rahmen der „Dublin III“-Verordnung die Frist, nach der Deutschland für das Aufenthaltsverfahren zuständig wird, von sechs auf 18 Monate verlängere.
  • Zudem bedeute das Ablaufen dieser verlängerten Frist nicht zwangsläufig, dass das Asylbegehren auch tatsächlich in Deutschland geprüft werden müsse.

Wir als Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche haben an Gesprächen mit Vertreter_innen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) mit dem BAMF teilgenommen und schätzen die Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten.

Wir bedauern die neuen Einschätzungen des BAMF und teilen sie nicht. Aus zahlreichen unabhängigen Berichten geht hervor, dass Geflüchtete nicht überall in Europa menschenwürdig behandelt werden, sondern dass es innerhalb der Europäischen Union regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen kommt.[1] So führt die „Dublin III“- Verordnung zu Abschiebungen in menschenunwürdige Zustände, hat Familientrennungen, Obdachlosigkeit und Kettenabschiebungen zur Folge. Die besondere Schutzwürdigkeit z.B. von Traumatisierten, Kranken oder Kindern wird nicht ausreichend berücksichtigt.

Dass Menschen im Kirchenasyl nicht „flüchtig“ sind, ist offensichtlich: ihr Aufenthaltsort ist den Behörden bekannt. Wir sind überzeugt, dass auch Gerichte in diesem Sinne entscheiden werden.

Eine Verlängerung der „Dublin“-Frist bedeutet für alle Beteiligten – insbesondere für die Menschen im Kirchenasyl – eine höhere Belastung, einen länger andauernden Zustand der Ungewissheit. Dennoch werden Kirchengemeinden nach sorgfältiger Einzelfallprüfung weiterhin Kirchenasyl gewähren und dadurch Menschen, deren Leben auch durch deutsche und europäische Asylgesetze bedroht wird, begleiten und schützen.

Wir als Ökumenische BAG Asyl in der Kirche werden ihnen dabei weiterhin zur Seite stehen. In diesem Sinne unterstützen wir auch die aktuelle Kampagne von PRO ASYL, die sich für Flüchtlingsschutz stark macht. Sie ist unter www.wir-treten-ein.de zu finden und kann dort unterzeichnet werden.

Dietlind Jochims
Vorsitzende der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche

 

[1] Der Verein bordermonitoring.eu z.B. hat ausführliche Berichte über die Situation von Geflüchteten in Italien, Ungarn, Bulgarien und auf Malta veröffentlicht (siehe www.bordermonitoring.eu).

 

Sie können die Stellungnahme auch als PDF herunterladen: 30.01.2015 Ökum. BAG Asyl in der Kirche – Stellungnahme – Neue Bedingungen in der Praxis des Kirchenasyls