Liebe Freund*innen der Kirchenasylbewegung,
Zum 30.08, dem „Tag des Kirchenasyls“ veröffentlichten wir einen offenen Brief an Bundesinnenminister Seehofer, den Sie hier unterschreiben können. Sie finden den Brief auch in diesem Newsletter abgedruckt.
Letzte Woche fand unsere Jubiläumstagung „Kirche.Macht.Asyl.“ in Frankfurt am Main statt. Mit 90 Teilnehmenden haben wir die aktuelle Situation des Kirchenasyls in Deutschland diskutiert, aber auch über unseren eigenen Tellerrand geschaut.
Es freut uns sehr, dass die EKD begonnen hat, öffentlich für ein breites Bündnis zu werden, um ein weiteres Rettungsschiff auf das Mittelmeer zu schicken. Alle Informationen, wie Sie dies unterstützen können, finden Sie unter Punkt IV.
Wenn Sie die Artikel, die wir im „Pressespiegel“ zusammengestellt lesen möchten, folgen Sie bitte einfach dem markierten Link auf die Website. Sollten Sie Veranstaltungen organisieren, die von Interesse sein könnten und die wir auf unserer Homepage und im Newsletter bewerben sollen, schreiben Sie uns bitte an .
Mit freundlichen Grüßen,
Genia Schenke
Ulrike La Gro
Die BAG finden Sie auch auf Facebook!
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I. In eigener Sache
OFFENER BRIEF AN BUNDESINNENMINISTER SEEHOFER
30.08.2019
Sehr geehrter Herr Seehofer,
wir danken Ihnen für Ihr klares Bekenntnis zum Kirchenasyl:
„Ich respektiere als Christ die Tradition des Kirchenasyls, und ich betrachte das Kirchenasyl als hilfreiche und erhaltenswerte „Ultima Ratio“ in besonders gelagerten Härtefällen“ (so in der Zeitschrift zeitzeichen, Dezember 2018).
Kirchenasyl und Flüchtlingsschutz sind praktischer Ausdruck der Wahrheit des Evangeliums und der Einsatz für Geflüchtete im Kirchenasyl unerlässlich für die Glaubwürdigkeit der Kirche.
Kirchenasyl beruht auf einer sorgfältig abgewogenen Gewissensentscheidung der Verantwortlichen in Kirchengemeinden. Leitend ist dabei das Bestreben, mit den zuständigen Behörden einvernehmlich zu einer Lösung zu kommen. Positive Voten aus dem BAMF gibt es allerdings seit August 2018 so gut wie nicht mehr.
Herr Dr. Sommer äußerte beim Flüchtlingsschutzsymposium in Berlin Ende Juni gar die Auffassung, es gäbe jenseits der vom BAMF unmittelbar identifizierten Härtefälle keine weiteren, insofern sei das Kirchenasyl überflüssig. Weitere Äußerungen aus dem BAMF machten unmissverständlich klar, dass die Ablehnungen der Härtefalldossiers auf politischen Vorgaben beruhen. Solche Äußerungen empören uns in Kenntnis der Situation vieler Menschen und sind nicht hinnehmbar angesichts der BAMF-Praxis: Selbst hoch suizidale Menschen, Opfer von Menschenhandel oder demente Senioren mit nahen Angehörigen in Deutschland werden nicht mehr als besondere Härtefälle anerkannt.
Die Begründungen sorgen bei Gemeinden, den Kirchen, Fachärzten für Unverständnis. Nach mehrwöchigem und andauerndem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Fachklinik mit den Diagnosen PTBS, schwere Depression und Suizidalität urteilt das BAMF zum Beispiel:
„Es ist bereits ausgeschlossen, dass der Behandlungsumfang im vorliegenden Fall überhaupt ausreichend sein kann, die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an Exploration und Diagnose zu erfüllen.“
Ähnlich hier: „Zwar wird im Attest davon ausgegangen, dass bei einer Abschiebung nach … wieder mit akuter Suizidalität gerechnet werden könne, dies wird jedoch nicht weiter begründet. Aus den vorgelegten Dokumenten geht nicht plausibel hervor, inwiefern es infolge einer Überstellung nach… zu einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes … kommen soll. Ein Transport nach … erfordert in der Regel nur wenige Stunden.“
Einer Frau, die in Italien über eineinhalb Jahre Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel geworden war (dies bezweifelte das BAMF nicht) wurde bescheinigt:
Es ist „nicht ersichtlich, dass es bei einer Überstellung …nach Italien zu einer Reviktimisierung kommen würde. Dies ist zum einen nicht zu befürchten, da sich die Antragstellerin in Italien erfolgreich von den Menschenhändlern lösen konnte, so dass sich ihre Spur verloren haben dürfte.“
Den (inzwischen deutschen) Töchtern einer hoch depressiven 71jährigen Frau, die zudem unter Demenz leidet, wurde angeraten, sie könnten ihre Mutter im zuständigen Mitgliedsstaat jederzeit besuchen. Ein Abhängigkeitsverhältnis sei nicht gegeben.
Massive erfahrene Gewalt durch staatliche Stellen wird bagatellisiert: „Die von den Betroffenen geschilderten negativen Erfahrungen im Mitgliedstaat Bulgarien begründen allein keine besondere individuelle Härte. Im Übrigen werden Dublin-Rückkehrer in den meisten Fällen nicht dort untergebracht, wo sie während ihres Erstaufenthaltes wohnhaft waren. Eine Wiederholung des Erlebten ist damit nahezu ausgeschlossen.“
Kirchenasyl verteidigt die Würde und das Wohlergehen von Geflüchteten. Es stärkt einen selbstbewussten und –kritischen Rechtsstaat. Seine Akzeptanz und das gemeinsame Suchen nach humanitären Lösungen verhelfen einer humanitären und einzelfallorientierten Asylpolitik zu mehr Glaubwürdigkeit.
Die gegenwärtige Praxis des BAMF im Umgang mit geschilderten Härtefällen und die vielfältigen Sanktionen während und nach einem Kirchenasyl schaden dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland: Ein Rechtsstaat, der Kirchenasyl als Korrektiv de facto verhindert, zeigt Schwäche, nicht Stärke. Die gegenwärtige Politik des Abschiebens um jeden Preis ist kurzsichtig und untergräbt unser Vertrauen in den Rechtsstaat.
Wir fordern deshalb:
- Stehen Sie zu Ihrem Wort und helfen Sie mit, nach humanitären Lösungen für Flüchtlinge im Kirchenasyl zu suchen!
- Setzen Sie der Kriminalisierung von Menschen im Kirchenasyl und von schutzgewährenden Gemeinden ein Ende!
- Treten Sie mit uns ein für eine Politik, die das Kirchenasyl überflüssig macht, statt es zu bekämpfen!
Mit freundlichen Grüßen,
Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.
Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.
Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche Niedersachsen
Matteo- Kirche und Asyl e.V.
Ökumenisches Netzwerk Kirchenasyl NRW e.V.
mAqom – Kirche und Zuflucht e.V. (Hessen und Rheinland-Pfalz)
Untersützt von:
Jesuiten Flüchtlingsdienst Deutschland
Pro Asyl
Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten e.V.
auf www.kirchenasyl.de können Sie den Brief mitunterzeichnen
II. Aktuelle Statistik
Aktuell zum 27.09.2019
Wir wissen zurzeit von 431 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 685 Personen, davon sind etwa 149 Kinder. 410 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin Fälle.
III. Pressespiegel*
01.08.19 Domradio
Vor einem Jahr änderte die Politik den Umgang mit Kirchenasyl „Kein Wille zur Anerkennung von Härtefällen erkennbar“
Der frühere Innenminister de Maiziere mahnte Änderungen an: Er lehne das Kirchenasyl „prinzipiell und fundamental ab“, sagte er. Im vergangenen Jahr wurden die Regelungen verschärft. Hilfsverbände schlagen Alarm.
01.08.19 evangelisch.de
Präses Rekowski befremdet über Dramatisierung von Kirchenasyl
Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski hat an die staatlichen Behörden appelliert, mehr Verständnis für das Kirchenasyl zu zeigen.
14.08.19 evangelisch.de
Hauptverhandlung gegen Immenstädter Pfarrer
Gegen den Immenstädter Pfarrer Ulrich Gampert, der einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt hatte, kommt es am 18. September zur öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Sonthofen.
23.08.19 taz
Mehr als Brot, Bett und Seife
Abermals versuchten bayerische Behörden, Mheddin Saho nach Spanien rückzuführen. Nun hat ihn eine evangelische Gemeinde aufgenommen.
26.08.19 Abendzeitung München
Vorerst in Sicherheit Blinder Flüchtling in Rottenburg im Kirchenasyl
„Wie ein Fisch im Aquarium, vor dem eine Katze sitzt“, beschreibt Mheddin Saho seine gegenwärtige Situation. Er ist der Fisch, die Behörden die Katze. „Sie sehen mich, können mich aber nicht mitnehmen“, sagt er.
29.08.19 evangelisch.de
„Asyl in der Kirche“ schreibt offenen Brief an Seehofer
Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ hat in einem offenen Brief Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeworfen, das Kirchenasyl auszuhebeln. Aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kämen kaum noch positive Voten, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben des ökumenischen Vereins.
* Hinweis: Bei den kursiv gedruckten, zitierten Sätzen handelt es sich teilweise um die Anfänge einer Auswahl von Artikeln, die sich in den letzten Wochen mit dem Thema Kirchenasyl beschäftigt haben. Sie geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider. Die Hyperlinks der Überschriften verweisen auf die Quellen, sie sind für ihre Inhalte selbst verantwortlich. Am Erscheinungstag des Newsletters waren alle noch aktuell und zugänglich.
IV. Hinweise
IV.I Bündnis für ein Rettungsschiff
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wirbt für ein neues Rettungsschiff und bittet um Unterstützung:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
als Evangelische Kirche in Deutschland setzen wir uns seit Jahren gegen das Sterben im Mittelmeer und für die zivile Seenotrettung ein. In diesem Sommer haben wir dieses Engagement verstärkt. Gemeinsam mit vielen anderen haben wir öffentlich deutlich gemacht, dass es dringender denn je Seenotrettung und einen europäischen Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge braucht. Sowie Kommunen, die freiwillig Gerettete auf-nehmen möchten, hierzu die Möglichkeit bekommen sollten.
Angesichts der humanitären Katastrophe, der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung und des politischen Stillstands auf europäischer Ebene, reichen Appelle allein nicht länger aus.
Die EKD engagiert sich daher dafür, zu einem Bündnis zu kommen, das die zivile Seenotrettung mit einem neuem Rettungsschiff unterstützt. Wenn viele große und kleine Organisationen, Städte und Kommunen, Kirchen, Unternehmen, Reedereien, Gewerkschaften, Bürgerinnen und Bürger sich in einem Verein zusammentun, kann das gelingen. Das neue Schiff könnte durch Beiträge der Mitglieder eines solchen Vereins und Spenden gekauft und dann der Rettungsorganisation Sea-Watch e.V. zur Verfügung gestellt werden.
Uns ist sehr bewusst: Ein einzelnes Rettungsschiff löst die Gesamtproblematik von Flucht und Migration nicht. Doch wäre es ein eindeutiges Signal dafür, dass unsere Gesellschaft die Werte der Humanität nicht auf-gibt. Es unterstützt die vielen Menschen in unserem Land, die für Solidarität einstehen. Und es rettet Menschenleben.
Wir arbeiten bereits intensiv für dieses Vorhaben. Insbesondere lassen wir die rechtlichen Fragen klären, die zu einem solchen Vorhaben gehören. Bereits Anfang September werden wir hierzu erste Ergebnisse bekommen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie dieses Vorhaben durch Ihre Beteilung unterstützen!
Signalisieren Sie uns gerne Ihr Interesse bereits jetzt per Email an (Stichwort „Bündnis Rettungsschiff“) oder kontaktieren Sie uns telefonisch: 0800-50 40 60 2. So bald als möglich informieren wir Sie dann zu den Beteiligungs- und Unterstützungsoptionen an dem geplanten Bündnis.“
IV.II Termine
29.11.-01.12.2019 |
Schwerte |
Hier gibt es den Newsletter_09_2019 als PDF