Liebe Interessierte,

Sie bieten Geflüchteten durch Kirchenasyl Schutz oder wollen es bald tun? Sie arbeiten als Ehren- oder Hauptamtliche mit Menschen, die im Kirchenasyl sind? Das ist großartig! Wie können wir dafür sorgen, dass Gemeinden den Schutz, für den sie sorgen wollen, auch tatsächlich geben können? Was brauchen Geflüchtete im Kirchenasyl, um sich tatsächlich sicher zu fühlen?

Auch kirchliche Räume, die Schutz bieten sollen, können unsichere Räume sein. Gewalt und sexualisierte Gewalt ist eine Form der Ausübung von Gewalt, die in Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen stattfindet. Sexualisierte Gewalt kann schon bei Grenzverletzungen anfangen, vor allem da, wo das Recht auf Selbstbestimmung verletzt wird, wie z.B. gegen den eigenen Willen angefasst werden, oder auch versehentlichen Berührungen. Diese können auch unbewusst stattfinden. Nicht jede Grenzverletzung ist sexuell motiviert oder wird bewusst durchgeführt. Grenzverletzungen können auch Verletzungen der Intimsphäre sein, wie das Eintreten ins Zimmer ohne anzuklopfen. Was als Grenzverletzung wahrgenommen wird, richtet sich nicht nur nach objektiven Kriterien sondern auch subjektiven Empfinden. Während sexuelle Gewalthandlungen strafbar sind, sind Grenzverletzungen in der Regel nicht strafrechtlich relevant.

Kirchen haben sich gesetzlich dazu verpflichtet[1], Menschen vor grenzverletzendem Verhalten, Gewalt und Mißbrauch zu schützen und Übergriffe jeglicher Art zu verhindern. Dafür haben Landeskirchen, Kirchenkreise und Gemeinden mittlerweile Schutzkonzepte und Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt/Missbrauch entwickelt. Es gibt klare Verfahrenswege und Hilfen für Betroffene, die grundsätzlich auch für Gäste im Kirchenasyl gelten.

Allerdings lassen sich diese nicht in der gleichen Weise auf schutzsuchende Geflüchtete im Kirchenasyl anwenden. Geflüchtete befinden sich aufgrund ihrer prekären Situation (aufenthaltsrechtliche Unsicherheit, Abhängigkeit von Ehren- und Hauptamtlichen, räumliche Situation, psychologischen Belastungen und oftmals traumatisierende, teils geschlechtsspezifschen Gewalterfahrungen vor und während der Flucht) in einer vulnerablen Situation. Das stellt auch für die Prävention von und den Umgang mit Grenzverletzungen und (sexualisierter) Gewalt im Kirchenasyl eine verschärfte Herausforderung dar. Erschwerend kommt hinzu, dass, dass viele geflüchtete Frauen, LGBTQI+, Kinder und Männer nicht wissen, dass auch Sie ein Recht auf Sicherheit, Schutz und Selbstbestimmung im Kirchenasyl haben.

Wir wissen, dass die Umsetzung von Schutzkonzepten im Kirchenasyl auch mit Herausforderungen verbunden sein kann. Deshalb haben wir hier einen Werkzeugkasten erarbeitet, der verschiedene Bausteine enthält, die auf die oftmals schwierige Situation im Kirchenasyl zugeschnitten sind.

Ziel ist es, Kirchenkreise, Gemeinden, weitere Schutzgewährende sowie Schutzsuchenden im Kirchenasyl Instrumente an die Hand zu geben, und diese an die lokalen Gegebenheiten anzupassen und der Selbstbestimmung von potentiell Betroffenen Raum zu geben.  Der Werkzeugkasten orientiert sich an den rechtlich festgelegten Anforderungen für Präventionskonzepte.

Der Werkzeugkasten wurde in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit der “AG Schutz und Sicherheit im Kirchenasyl” der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche BAG, ehemaligen Kirchenasyl-Gästen, Kirchenkreisen, Mitarbeiterinnen der Nordkirche, Regionalvertreter*innen, NGOs, Jurist*innen und Präventionsbeauftragten erstellt.

Der Werkzeugkasten richtet sich an:

  • Ehrenamtliche, die im Kirchenasyl tätig sind
  • Pfarrpersonen
  • Hauptamtliche in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit
  • Geflüchtete im Kirchenasyl
  • Kirchliche Präventionsbeauftragte

[1] Zum Beispiel im Rheinland https://www.kirchenrecht-ekir.de/document/45942 ; der Nordkirche https://www.nordkirche.de/praevention-und-beratung-bei-sexualisierter-gewalt