Die Wahrheitssuche nicht mit Füßen treten!

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Menschenrechtsorganisationen rufen zur Beobachtung des Oury-Jalloh-Prozesses am Landgericht Magdeburg auf und verurteilen den Polizeieinsatz gegen Mouctar Bah, Träger der Carl-von Ossietzky-Medaille, am 11. August im Landgericht Magdeburg

Berlin, den 23. August 2011.

Anlässlich der Vorfälle vom 11. August 2011 beim Landgerichtsprozess in Magdeburg um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh kritisieren die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, die Internationale Liga für Menschenrechte und das Komitee für Grundrechte und Demokratie den rigiden polizeilichen Umgang mit einigen Prozessbeobachtern aufs Schärfste. Als Organisationen, die sich den Menschenrechten verpflichtet wissen, treten wir ein für eine rückhaltlose Aufklärung der Umstände, die zum Verbrennungstod von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam geführt haben. Wir solidarisieren uns mit den Aktivistinnen und Aktivisten der Oury Jalloh Initiative und Black Community, deren Aufklärungsarbeit mit Schikane und Repression beantwortet wird.

Mouctar Bah von der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« schildert die Vorgänge am 11. August 2011: »Ich fragte: ‚Wo ist der Leichnam von Oury Jalloh? Wie kam das Feuer wirklich zustande?’ Auf diese Fragen hin musste ich meinen Ausweis vorlegen und den Gerichtssaal verlassen. Als ich die Treppe hinunterging, hielt mich ein Polizist auf. Ich wurde auf den Boden geschmissen. Polizisten setzten sich auf meinen Rücken, verdrehten mir gewaltsam die Arme und legten mir Handschellen an. Warum? Warum diese Brutalität?
Es gibt noch so viele ungeklärte Fragen im gesamten Prozess. Daher fordern wir, die ‚Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.’, ein internationales und unabhängiges Brandgutachten und Untersuchungsverfahren. Wir wünschen uns nichts als die Wahrheit.«

Pastorin Fanny Dethloff, Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, erklärt dazu:
»Dem Menschenrechts-Medaillenträger Mouctar Bah gebührt aller Respekt und Achtung, da seine Initiative die einzige angemessene Reaktion auf schreiendes Unrecht mitten unter uns ist. Seine Verletzung beim letzten Gerichtsprozess ist eine Ohrfeige für all diejenigen, die an demokratischen Grundlagen in unserem Land festhalten und Menschenrechtsarbeit voranbringen.
Denn es gibt Menschenrechtsverletzungen auch mitten unter uns. Eine offen klaffende Menschenrechtswunde ist der Tod von Oury Jalloh: der vor sechs Jahren verhaftet, fixiert auf einer unbrennbaren Matratze, in einer überwachten Zelle, trotz Feueralarms bis zur Unkenntlichkeit verbrannt ist. Dieser Tod fand keine adäquate Rechtssprechung, keine Wahrheit und keine Gerechtigkeit. Im Gegenteil: selbst jetzt in der nächsten Instanz wird das Opfer wieder zum Täter gemacht.
Wir brauchen internationale Hilfe bei der Aufklärung dieses Falles und endlich eine Politik, die sich dem Versagen angesichts eines tiefen behördlichen Rassismus stellt. Der Schrei nach Gerechtigkeit darf nicht angesichts schweigender Verantwortlicher in Magdeburg verhallen.«

Fanny-Michaela Reisin, Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, zieht aus der bisherigen Prozessbeobachtung folgendes Resümee:
»Die Dessauer Polizei und insbesondere die Zuständigen auf dem Revier Dessau-Rosslau wirken an einer rückhaltlosen Aufklärung nicht mit. Ausgemacht zu sein scheint, dass der angeklagte Dienstgruppenleiter Andreas Sch. an jenem Tag fahrlässig gehandelt habe. Im Übrigen lauten die häufigsten Antworten, die im Gerichtssaal – oftmals gestützt durch anwaltliche Beistände der Zeugen – zu hören sind: »weiß ich nicht«, »kann mich nicht erinnern«, »davon verstehe ich nichts«.
Der Gleichmut des Gerichts und der Staatsanwaltschaft – es gäbe durchaus rechtlich vorgesehene Maßnahmen, um diese offenkundig organisierte Amnesie zu »kurieren« – sind in dieser Situation ebenfalls schwer zu ertragen.
Wie schon in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Dessau sind die Vereitelungen der Aufklärung, die Widersprüche und die Lügen skandalös. Wichtige – vorgeblich von der Staatsanwaltschaft seinerzeit beschlagnahmte – Informationsquellen wie das Fahrtenbuch, in dem jede Fahrt (Streife) oder das elektronische Journal, in das fortlaufend nummeriert jeder Einsatz eingetragen wird, galten im erstinstanzlichen Verfahren als verschwunden, um nun nach einem Antrag der Nebenklage vor dem Landgericht Magdeburg nach fünf Jahren doch noch aufzutauchen; allerdings mit widerrechtlichen Löschungen, deren Urheber nicht ermittelbar sind. Just vom Tag des Verbrennungstodes und genau in der Zeit vor Ausbruch des Feuers sind die Eintragungen gelöscht, die fortlaufenden Nummern lückenhaft. Desgleichen sind Protokolle der Vernehmung von Bediensteten des Polizeireviers um den Tag des Geschehens zum Teil unauffindbar, gerade von wichtigen Belastungszeugen. Und über allem schwebt die schier unerträgliche Tatsache, dass niemand der vernommenen Zeugen und Zeuginnen, die vor Ort ihren Dienst besorgten, Oury Jalloh schreien hörte. Wie ist es möglich, dass jemand stillschweigend verbrennt?
Ein Wort noch angesichts des Vorgehens gegen Mouctar Bah am 11. August 2011. Während meiner sporadischen Prozessbeobachtung am Magdeburger Landesgericht hatte ich den Eindruck, dass das Gericht und folglich auch die Bediensteten des Wachpersonals im Gerichtssaal die Teilnahme der Öffentlichkeit am Verfahren als großzügig zugestandenes Entgegenkommen auffassen und nicht als Recht der Bürger und Bürgerinnen achten. Erwartet werden daher besondere Dankbarkeit und Wohlverhalten.
Durch die Vorfälle am 11. August wurde deutlich, dass die noch kommenden Verhandlungstage dringend der öffentlichen Beobachtung bedürfen.«

Nächste Prozesstermine: 25.08.2011, 31.08.2011, 01.09.2011, 22.09.2011
jeweils ab 9:30 Uhr vor dem Landgericht Magdeburg, Saal A23.

Kontakt:
Verena Mittermaier, Ökumenische BAG Asyl in der Kirche e.V.
Fon ++49 30 – 25 89 88 91
mailto:
web: https://kirchenasyl.de

Press Release, 23nd of August 2011

Do not stomp out the search for truth!
Human rights organisations call for monitoring the Oury Jalloh trial at the
Regional Court of Magdeburg and condemn the deployment of police against
Mouctar Bah, recipient of the Carl von Ossietzky Medal, on 11th August 2011 in
the Regional Court of Magdeburg

Berlin, 23nd of August 2011
Following the events on the 11th of August 2011 at the Regional Court in Magdeburg in the case of Oury Jalloh, an asylum seeker who burned to death, the German Ecumenical Committee on Church Asylum, the International League for Human Rights and the Committee for Fundamental Rights and Democracy very sharply criticise the rigid police treatment of some trial observers. As organisations whose duty is to understand human rights, we hereby call for an unreserved and thorough explanation of what led Oury Jalloh to burn to death in police custody. We stand in solidarity with all of the activists of the Oury Jalloh Initiative and the Black community, whose work for such an explanation has been answered with harassment and repression.

Mouctar Bah of the »Initiative in Remembrance of Oury Jalloh« describes the events on the 11th of August 2011:
»I asked: ‘where is Oury Jalloh’s body? How did the fire really start?’ After asking these
questions I had to produce my identification. Then, I was suddenly dragged out of the
courtroom and thrown to the floor. Police sat on my back, twisted my arms around violently and put handcuffs on me. Why? Why this brutality? I am saddened and furious that in a supposedly democratic state with due process it is not possible to search for the truth.
There are still so many unanswered questions from throughout the trial. That is why we, the Initiative in Remembrance of Oury Jalloh e.V., call for an international and independent expert fire report and investigation. We want nothing but the truth.«

Pastor Fanny Dethloff, Chair of the National Ecumenical Consortium Asylum in Church further explains:
»Human rights medal recipient Mouctar Bah is worthy of utmost respect and esteem, since his initiative is the only appropriate reaction to the glaring injustice in our midst. His injury sustained during the last courtroom proceeding is a slap in the face for all of those who hold onto the democratic principles of our country and promote human rights.
There are violations of human rights among us also. The death of Oury Jalloh is a gaping wound to human rights – he was arrested six years ago, affixed to a fire-proof mattress in a monitored cell and, despite fire alarms, burned beyond recognition. This death found no adequate adjudication, no truth and no justice. Just the opposite: even now in the most recent court proceedings, the victim is being made into the perpetrator.
We need international help in the search for truth in this case and finally a politics that deals with failures in light of deep institutional racism. The cry for justice should not be allowed to die out because of grave errors of those in charge in Magdeburg.«

Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin, President of the International League for Human Rights,
summarises the trial observance to date with the following account:
»The Dessau Police and particularly those in charge of the Dessau-Rosslau police station are not participating in a full uncovering of what took place. It seems as though they have agreed that the accused, shift supervisor Andreas Sch., acted negligently on that day. Incidentally, the most frequent answers spoken in the courtroom – often supported by witness’ legal aides – are ‘I don’t know’, ‘I can’t remember’, ‘I don’t know anything about that’.
The stoicism of the court and the public prosecutor – there are completely legal measures to ‘cure’ this overtly organised amnesia – are similarly hard to bear in this situation.
As in the trial of first instance in Dessau, the circumventions of a true explanation, the
contradictions and the lies are scandalous. Important evidentiary sources – which the public prosecutor ostensibly attempted to seize at the time – such as the drivers’ logbook in which every patrol drive is entered or the electronic journal, in which every police deployment is logged, were thought for years to have disappeared, only to suddenly turn up again from out of nowhere. However, these contained unlawful deletions made by an unknown source. Entries concerning the exact day of Jalloh’s death and in the time just before the fire broke out have been erased, and the sequence of numbers logged is incomplete. Similarly, parts of the protocols of the interrogation taken by Stendal Police of those employed by the police station on the day of the event are lost, and the missing sections are from important witnesses for the prosecution. Hanging over everything is the completely insupportable claim that none of the questioned witnesses on duty that day heard Oury Jalloh screaming. How is it possible for someone to burn in silence?
To briefly mention the events of the 11th of August, 2011: during my sporadic observance of the trial in the Regional Court of Magdeburg I was given the impression that the court and, consequently, the police and security guards in the courtroom view the participation of the public at the trial as owing to the generous courtesy of the court rather than the right of citizens and the public. Thus, extreme gratitude and exemplary conduct are expected.
It was made clear on the 11th of August that the upcoming trial dates will urgently require observation by the public.«

Next Trial Dates: 25.08.2011, 01.09.2011, 22.09.2011
Sessions begin at 9:30 at the Regional Court in Magdeburg, Courtroom A23.

Kontakt:
Verena Mittermaier, Ökumenische BAG Asyl in der Kirche e.V.
Fon ++49 30 – 25 89 88 91
mailto:
web: https://kirchenasyl.de

Communiqé de presse, 23. août 2011
 
La recherche de la vérité ne doit pas être piétinée!
Des organisations des Droits de l’Homme font appel à l’observation du procès Oury Jalloh au tribunal de Magdeburg, tout en condamnant l’intervention policière du 11 août 2011 contre Mouctar Bah, lauréat de la médaille Carl-von-Ossietzky.
 
Berlin, le 23 août 2011
A l’occasion des incidents survenus le 11 août 2011 durant le procès au tribunal de Magdebourg etconcernant le décès du demandeur d’asile Oury Jalloh, brûlé vif lors de sa garde à vue, le «Groupe de travail fédéral oecuménique Asile à l’église» (Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche), la Ligue Internationale pour les Droits de l’Homme (Internationale Liga für Menschenrechte) et le Comité pour les droits fondamentaux et la démocratie (Komitee für Grundrechte und Demokratie), condamnent dans les termes les plus forts l’intervention violente de la police contre quelques observateurs du procès. En tant qu’organisations engagées à la défense des Droits de l’Hommes, nous exigeons une clarification sans réserve des circonstances qui ont conduit au décès d’Oury Jalloh, mort brûlé vif lors de sa garde à vue. Nous exprimons notre solidarité avec tou(te)s les militant(e)s de l’Initiative Oury Jalloh et la communauté noire, dont le travail d’éclaircissement s’est heurté à du harcèlement et de l’intimidation.

Mouctar Bah, membre de „l’Initiative à la mémoire d’Oury Jalloh», dépeint les événements du 11 août 2011.
«J’ai demandé :«Où est le corps d’Oury Jalloh? Comment l’incendie s’est-il déclaré exactement? ». A ces questions, j’ai dû présenter ma pièce d’identité, puis j’ai dû quitter la salle d’audience. Quand je descendais l’escalier, j’ai été stoppé par un policier et j’ai été jeté à terre. Les policiers se sont assis sur mon dos, ont tordu violemment mes bras, et m’ont mis les menottes aux poignets. Pourquoi ? Pourquoi une telle brutalité ? Il y a encore tant de questions sans réponse tout au long du procès. Par conséquent, nous, « l’Initiative à la mémoire d’Oury Jalloh e.V. », exigeons qu’il y ait une expertise internationale et indépendante sur l’incendie et l’enquête le concernant. Nous ne souhaitons rien d’autre que la vérité.»

La Pasteur Fanny Dethloff, présidente du Groupe de travail fédéral oecuménique Asile à l’église explique:
«Il faut honorer Mouctar Bah, puisque son initiative était la seule réaction adéquate face à cette terrible injustice. Les violences dont il a été victime lors de la dernière séance est une gifle au visage de tous ceux qui adhèrent aux principes démocratiques dans notre pays et qui veulent promouvoir le travail pour les Droits de l’Homme.
Malgré toute la démocratie et la primauté du droit, il y a aussi des violations des droits humains dans notre milieu. La mort de Oury Jalloh qui a été arrêté il ya six ans, fixé sur un matelas ignifugé, qui est mort brûlé vif dans une cellule de suivi et incendié jusqu’à un état méconnaissable, malgré un système d’alarme, est un cas flagrant de violation des Droits de l’Homme dans un dossier toujours ouvert. Cette mort n’a pas trouvé de juridiction compétente dans la recherche de la vérité et de la justice. Au contraire, on tente dorénavant d’intervertir les rôles de victime et de coupable.
Nous avons dès lors besoin d’aide internationale pour enquêter sur cette affaire, et d’une politique qui fait face à l’échec d’une administration emprunte d’un racisme profond. Le cri pour la justice ne doit pas disparaître à cause des responsables silencieux à Magdebourg.»

Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin, présidente de la Ligue Internationale des Droits de l’Homme – observatrice de quelques séances du procès – résume ainsi:
« La police de Dessau, et en particulier ceux du commissariat de Dessau-Rosslau, n’agissent pas pour une élucidation sans réserve de l’affaire. Il semble être entendu que le chef d’équipe du service accusé, Andreas Sch., avait agi de manière négligente en ce jour. En outre, les réponses les plus courantes entendues dans la salle d’audience, et souvent soutenues par un avocat conseil, étaient : «Je ne sais pas», « Je ne me souviens pas», «Je ne comprends rien dans cette affaire ».
L’impassibilité de la cour et du procureur – il serait tout à fait légal d’appliquer des mesures prévues pour «guérir» cette amnésie clairement organisée – dans cette situation est aussi humiliante.
Comme avec les audiences à la Cour de Dessau, l’empêchement de l’élucidation, les frustrations, les contradictions et les mensonges sont proprement scandaleux. Dans un premier temps, les documents comme le journal de bord dans lequel chaque patrouille rapporte ses minutes, ainsi que le journal électronique où est enregistrée et répertoriée chaque intervention policière, et dont la magistrature avait dit avoir mis la main, ont été considérés pendant des années comme perdus, pour émerger à nouveau de nulle part mais avec des censures illégales, et dont les auteurs ne peuvent pas être déterminés. Juste à la date de la mort et juste à temps avant que l’incendie n’ait éclaté, les entrées sont supprimées, et les numéros de série comportent des manques. De même, les minutes des interrogatoires par des agents du poste de police le jour de l’action de la police de Stendal se sont envolés, surtout celles des témoins clé de l’accusation. Et c’est un fait insupportable de penser qu’aucun des témoins interrogés, présents et de service dans les locaux, n’ai entendu crier Oury Jalloh. Comment est-il possible que quelqu’un brûle en silence?
Un dernier mot à la cour en raison des événements du 11 août. Mes observations sporadiques du procès cet été à la Cour de Magdebourg, m’ont donné aussi l’impression que le tribunal, et par conséquent les gardiens et les agents de police dans la salle d’audience, interprétait la fréquentation du public à la procédure, comme des concessions généreusement accordées et non pas comme le droit des citoyens et citoyennes, dont on attend donc une reconnaissance particulière et un bon comportement.
Les incidents du 11 août dernier ont montré clairement que les procédures exigent d’urgence l’observation d’une opinion publique démocratique».

Dates d’audience suivantes: 25.08.2011, 01.09.2011, 22.09.2011
respectivement à 9:30 à la cour de Magdebourg, salle A23.

Kontakt:
Verena Mittermaier,
Ökumenische BAG Asyl in der Kirche e.V.
Fon ++49 30 – 25 89 88 91
mailto:
web: https://kirchenasyl.de